Warum trägt der Weihnachtsbaum rote Christbaumkugeln?

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Natürlich gehört zu jedem stimmungsvollen Weihnachtfest ein prächtiger, oft mit roten Christbaumkugeln geschmückter Weihnachtsbaum. Die Verwendung dieser romantischen Accessoires ist für uns völlig selbstverständlich. Doch haben Sie sich schon mal gefragt, woher all diese Symbolik herrührt? Was hat eigentlich ein Nadelbaum an Weihnachten in unserem Wohnzimmer zu suchen? Warum hängen an allen Christbäumen vorwiegend und ursprünglich rote glänzende Kugeln? Warum kommt der Nikolaus im roten Gewandt über den Himmel fliegend im Rentierschlitten aus dem hohen Norden und bringt seine Geschenke durch den Schornstein?

Was bedeutet dies Alles? Wo liegt der Ursprung?

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Der Grund dafür liegt tief in der Vergangenheit in einem vorchristlichen, religiösen Kult in der Heimat des Rentiers verborgen, also im hohen Norden Eurasiens bis Sibirien und hat mit dem rauschhaften Genuss des Fliegenpilzes zu tun. Der Fliegenpilz wird bei uns als tödlicher Giftpilz betrachtet. Ganz so giftig und gefährlich jedoch, wie in der allgemeinen Vorstellung ist unser “Männlein im Walde mit dem purpurroten Mäntelein um” jedoch nicht. Dennoch: Die tödliche Dosis liegt bei etwa 10 mittelgroßen Fliegenpilzen liegen, etwa einem Kilogramm Frischpilz.

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Fliegenpilze enthalten das Gift Ibotensäure, das sich vor allem unter der Huthaut konzentriert. Abgezogen, getrocknet und in gezuckerter Milch eingelegt, eignete sich die Huthaut des Fliegenpilzes früher sehr gut um Fliegen zu fangen, die, da nur betäubt, nach mehreren Stunden wieder zum Leben erwachen. Für den Menschen wirkt die Ibotensäure unangenehm giftig mit Lähmungserscheinungen, Muskelkrämpfen, Delirium u.a.
Durch fachmännisches, längerfristiges Trocknen der Pilze jedoch verwandelt sich die Ibotensäure in Muscimol. Dieser Wirkstoff ist besser verträglich als sein Ausgangsstoff und vor allem: Seine halluzinogenen Wirkungen sind deutlich stärker als der Ausgangsstoff. Es spielen im Rausch einige psychotrope Effekte eine große Rolle. Daneben wird das Gefühl des Schwebens beschrieben.
Aus diesem Grund wurden Fliegenpilze weltweit in vielen Kulturen zu spirituellen Zwecken konsumiert. (Anm. der Redaktion: Liebe Kinder und Erwachsene: bitte nicht nachmachen!!!) Das Fliegenpilzgift Muscimol gilt als sogenanntes Entheogen. Es soll im Inneren (endo) Gott (Theos) entstehen (Genese) lassen, es soll also helfen seinen persönlichen Gott in sich zu finden.

Der Konsum von Fliegenpilzen zu spirituellen Zwecken war besonders im Norden Eurasiens und Sibiriens stark verbreitet und wurde durch Schamanen betreut und begleitet. Um die Zeit zur Wintersonnenwende am 21. Dezember feierten die Menschen Feste, bei denen sie Fliegenpilze im Rahmen religiöser Rituale zu sich nahmen. Die Schamanen, Naturheilkundige und Seelsorger zugleich, sammelten die Pilze und brachten sie den Menschen als Geschenk. Oftmals mussten sie durch den Einstieg über den Rauchabzug von oben in die Jurte (Zelt der ureinwohnenden Nomadenvölker) einsteigen, da der seitliche Eingang durch hochliegende Schneemassen unzugänglich war. Die Pilze wurden dann in einem gemeinsamen Ritual konsumiert. Die dazu benötigten Pilze wurden vor dem Verzehr auf Kiefernzweigen zum Trocknen aufgehängt, um, wie oben beschrieben, die Giftwirkung zu senken und die berauschende Wirksamkeit zu steigern. Fliegenpilze bilden eine lebensnotwendige Symbiose mit Nadelbäumen (Mykorrhiza). Das Unterirdische Pilzgeflecht (Mycel) ist mit den Wurzeln von Nadelbäumen auf gewinnbringende Weise für beide Lebewesen verbunden. Das Symbol des Nadelbaums ist mit dem des Fliegenpilzes unmittelbar verbunden.

Rot-weiß wie der Fliegenpilz

Was wir also so selbstverständlich, schlicht als dekorativen Schmuck an einem stimmungsvollen wintergrünen Bäumchen betrachten, ist in Wirklichkeit der Einfluss eines “heidnischen”, spirituellen Fliegenpilz-Rauschkultes, der im Laufe der Christianisierung hier seine Spuren in den Ritualen des Christentums hinterließ.

Der Christbaum und die klassisch roten Christbaumkugeln sind bis in die heuteige Zeit hinein nichts anderes als überlieferte Symbole der an Nadelbaumzweigen aufgehängten roten Fliegenpilze. Freilich hat sich die Art und Fülle des Christbaumschmucks mit der Zeit stark verändert.

Der Nikolaus (Schamane) in rot-weißer Kleidung fliegt im Rentierschlitten, wie die nordischen Götter, an einem Tag um die Welt und bringt seine Geschenke durch den Kamin (Rauchabzug) zu den Menschen. Das Schwebegefühl ist ebenfalls eine typische Wirkung des Fliegenpilzgiftes. Übrigens: Auch Rentiere fressen Fliegenpilze und torkeln sogar nach dessen Genuss.

Da der Fliegenpilz bringende Schamane im christlichen Glauben später durch den Abt Nikolaus von Myra aus Kleinasien ersetzt wurde, glauben manche Autoren, dass auch das rot-weiße Gewand des Kardinals hier seinen Ursprung hat.

 

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Übrigens: Der Fliegenpilz wurde nicht nur zu spirituellen und besinnungsfördernden Zwecken verwendet, sondern schlichtweg nur als Rauschmittel. Das sprichwörtliche „wüten wie ein Berserker.“ ist auf den Pilzkonsum des altnordischen Volkes zurückzuführen. Denn auch ausfällige Unruhe ist ein Symptom des alkoholartigen Rausches. Und wie der große Paracelsus schon bemerkte: “Die Dosis macht das Gift.”

Der Fliegenpilz ist heute ein weitverbreitetes Glückssymbol, das auf Abbildungen zwar zu allen Jahreszeiten, jedoch vor allem häufig im Winter zu sehen ist, obwohl es im Winter keine Fliegenpilze gibt. Deutet dies nicht eher auf die Jahreszeit der Wintersonnenwende hin, in der der Fliegenpilz rituell gebraucht wurde?

Kulinarische Verwandtschaft

In manchen Gegenden wurde der Fliegenpilz auch als Speisepilz gegessen, da manche regionale Varietäten scheinbar ungiftig sind, da sich ihre entgegengesetzt wirkenden Giftstoffe scheinbar gegenseitig aufheben, so im Gebiet des früheren Ostpreußen.

Eine kaiserliche Delikatesse

Ein naher und sehr ähnlich aussehender Verwandter des Fliegenpilzes ist der Kaiserling (Amanita caesarea). Dieser sehr schöne, beliebte und äußerst wohlschmeckende Speisepilz, in Italien unter den Namen Óvulo (etwa Eierling) oder auch Cocco (Kokosnuss) bekannt, ist wohl der meist gesuchte im mediterranen und südeuropäischen Raum. Sogar in Deutschland kommt der Kaiserling unstet und vereinzelt sehr selten vor. Der Fund des Kaiserlings ist das Highlight eines jeden leidenschaftlichen Pilzsammlers. Er ist vom Fliegenpilz trotz seiner Ähnlichkeit durch seinen gelben Stiel und seine gelben Lamellen leicht zu unterscheiden. Außerdem fehlen die weißen fleckenartigen Hautreste auf dem Hut.

Frohe Weihnachten !

Die Bedeutung des Fliegenpilzes und anderer psychedelischer Pilze in der christlichen Kultur vor und bis zum Mittelalter ist in zahlreichen Fresken und Mosaiken vielfach und eindrucksvoll belegt.

Kapelle in Plaincourault in Frankreich

Basilica di Santa Maria Assunta in Aquilegia in Italien , Basilika von Aquileia

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Amanita caesarea

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Kaiserlinge auf einem Marktstand in Italien.

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Pilzpfanne mit Kaiserling