Gemeine Wegwarte (Cichorium intybus), Zichorie, Chicorée, Radiccio, Hansl am Weg, Wegleuchte Kaffeekraut

Die fast tägliche Begegnung mit dem Chicorré ist den meisten Menschen vermutlich nicht bewusst. Es handelt sich dabei um die Gemeine Wegwarte, der Name deutet schon auf ihre Häufigkeit hin, die mit Ihren blauen (sehr selten weißen) Blüten vielerorts unsere täglichen Wege von Juli bis Oktober begleitet und verziert. Die Blume aus der Familie der Korblütler (Asteraceae) wächst fast überall: An Straßenrändern, Verkehrsinseln, Wegrändern, auf Wiesen und Äckern in der Stadt wie auf dem Land und das nahezu weltweit.

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Blüte der Wegwarte

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Wegwarte

Bitter macht lustig

Lang bevor man Nutzungsmöglichkeit der Wegwarte als bitteres Gemüse und als Salatpflanze entdeckte, spielte die auch sogenannte Zichorie eine vielseitige Rolle. Erste Erwähnungen finden sich bereits in ägyptischen Papyrustexten aus dem 4. Jahrtausend vor Christus. Vor allem wegen der enthaltenen Bitterstoffe ist die Zichorienwurzel seit der Antike als Heilmittel bei Magenverstimmungen, Verdauungsschwächen und zur Stimulanz des Gallenflusses zur Harmonisierung des Zusammenspiels zwischen Leber und Galle bei Lebererkrankungen in Gebrauch. Spätestens seit dem Mittelalter ist sie als Arzneipflanze bekannt und auch Paracelsus wies auf ihre schweißtreibende Wirkung hin. In diesem Zusammenhang sind seitdem Extrakte der Wurzeln in vielen Kräuterschnäpsen und in nahezu jedem Magenbitter und medizinisch-naturheilkundlichen Zubereitungen vorhanden. Bitterstoffe regen die Verdauung an, sind appetitfördernd und bewirken eine ausgeglichene Darmflora.

Nicht nur sauer, sondern auch bitter macht lustig. Die altbekannte stimmungsaufhellende Wirkung des Bittergeschmacks konnte heute wissenschaftlich bestätigt werden.

Falscher Kaffee

Als energiespeichernde Substanz in der Wurzel bildet die Wegwarte nicht Stärke, wie die meisten Pflanzen, sondern Inulin. Diese stärkeähnliche Substanz dient bei Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) als Stärkeersatz, da sie den Blutzuckerspiegel nicht beeinflusst.

Geröstetes Inulin besitzt ein kaffeeähnliches Aroma.

In schlechten Zeiten bereits seit dem 17. Jahrhundert machte geröstete Zichorienwurzel deshalb Karriere als “mocca faux”, zu deutsch “falscher Kaffee”, besser unter dem davon humorig abgeleiteten Namen “Muckefuck” bekannt.

Magenschonender und gesunder Zichorienkaffee aus der gerösteten Wurzel der Wegwarte ist auch heute durchaus noch gebräuchlich.

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Zichorienkaffee-Fabrik, Werbung aus dem Jahr 1906

Die Verwendung der bitteren wilden Wegwartenblätter als Gemüse und Salat stammt ursprünglich aus den italienischen Regionen Kampanien und Kalabrien. Dort kennt man sie als cicoria selvatica (Wilde Zichorie) oder cicoria verde (Grüne Zichorie).

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Pasta mit Wegwartenblättern

Erst etwa um die Mitte des 19.Jhd. bemerkte man, wohl eher durch Zufall aufgrund falscher Lagerung, dass unter Lichtabschluss kräftige Wachstum dichtgedrängter, saftiger, weniger bitterer Blattsprossen-Bündel aus der Wurzel treiben. Der als Gemüse oder Salat verwendbare und zartere Chicorée war geboren. Es existieren mehrere Überlieferungen über den wahren Entdecker. Wahrscheinlich wurde diese sicherlich häufig beobachtbare Eigenart der Zichorie zu jener Zeit mehrmals unabhängig voneinander entdeckt.

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Junge Chicorée-Sprosse

Diese und andere Eigenschaften der Wegwarte wurden natürlich allmählich durch gezielte Zucht verstärkt und variiert. Insofern gibt es heute eine ganze Reihe verschiedenster Ausbildungen der Pflanze.

Unter dem botanischen Namen der Zuchtform Cichorium intybus var. foliosum kennen wir heute neben neben dem klassischen weißlich-gelbgrünen Chicorée auch den bisweilen gut bekannten Radiccio, eine große Sortengruppe mit vorwiegend roten bis grünen Blättern, die erst seit etwa 1985 häufiger auf dem Markt erschien. Relativ neu ist roter Chicorée, eine Kreuzung zwischen Radiccio und dem klassischen Chicorée.

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Radiccio auf einem Marktstand in Venedig

Am Rande: Die der Zichorie verwandtschaftlich sehr nahe stehende Endivie (Cichorium endivia) ist eine, bei uns wild nicht vorkommende, mediterrane Pflanzenart. Vor allem die Blüten ähneln stark der Wegwarte. Ein Beispiel dafür ist der krause Friséesalat.

Typisches Wntergemüse

Chicorée ist ein sehr typisches Wintergemüse. Er treibt unter der Erde oder in dunklen Räumen bei gleichbleibender kühler Temperatur ab 12° C in länglichen Köpfchen aus kräftigen Wurzeln aus und ist dann ab Oktober bis März auf dem Markt erhältlich. Im Kühlschrank hält Chicorée etwa 4 Tage. Man sollte ihn stets dunkel lagern, da bei Licht schnell grünt und dabei mehr Bitterstoffe bildet. Kugelförmiger Radiccio ( Rosso di Chioggia) hingegen, hält durch seine kompaktere und dichtere Form bis zu 4 Wochen.

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Chicorée

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klassische kugelförmige Sorte: Radicchio Rosso di Chioggia

Ob Chicorée oder Radiccio, beide eignen für knackigen Salat und deftiges Gemüse. Sie sind reich an Vitamin B1und 2, Vitamin C, Phosphor, Kalium und Kalzium. Um die Bitterkeit wegen des Bitterstoffs Laktupikrin (früher Intybin) im Milchsaft der Bätter zu verringern kann man die Blätter etwa fünf Minuten in lauwarmes Salzwasser einlegen. Dadurch verlieren sie allerdings auch einen Teil ihrer wertvollen und gesunden Inhaltsstoffe. Der Strunk enthält am meisten Bitterstoffe. Er kann je nach belieben entfernt werden.

Chicorée schmeckt roh, gebraten oder gegrillt, gedünstet und gekocht. Man kann ihn füllen und überbacken. Beeren und Früchte (besonders Orange) und Schinken harmonieren perfekt mit Chicorée und Radiccio. Beide Sorten, vor allem aber Radiccio, erhalten durch braten oder backen im Ofen eine angenehm kräftig nussige Geschmacksnote. Chicorée in der Pfanne sollte man dabei mit etwas Zitronensaft beträufeln, damit er sich nicht dunkel verfärbt. In Italien wird Radiccio gerne als dezente fein-bittere Geschmacksnuance in Risotto verwendet.

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Chicorée-Salat mit Kokos

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Chicorée-Gemüse